Folgender Bericht ist entstanden, nachdem ich im Juli 2024 die Amsterdamer Mennonitenkirche zwischen Heren- und Singelgracht besucht habe.
Bildquelle: Rijksmuseum
Hier im Zentrum von Amsterdam, bauten flämische Mennoniten 1639 ein Versammlungshaus. An der gleichen Stelle stand vorher bereits eine Scheune, in der Amsterdamer Täufer ihren Treffpunkt hatten. Täufer hielten bereits 1530 Versammlungen in und außerhalb Amsterdams ab.
Die Kirche, die nicht aussieht wie eine Kirche
Blick von der Singelgracht auf die geheime Mennonitenkirche. Heute wird diese Kirche „Singelkerk“ genannt, weil sie an der Singelgracht liegt. Mennoniten in Amsterdam durften sich seit 1578 frei versammeln. Ihre Kirchen durften jedoch nicht als solche zu erkennen sein. Zumindest galt das für das 17te und 18te Jahrhundert.
Vorantreibende Rolle beim wirtschaftlichen Aufschwung
Blick von der Herengracht. Die Mennonitenkirche stand mitten im reichsten und prächtigsten Teil der Stadt: An der „Gouden Bocht“ (goldener Bogen). Neben den reichsten Amsterdamern, lebten hier im 17ten Jahrhundert auch viele extrem wohlhabende Mennoniten, deswegen bekam dieser Teil der Herengracht den Spitznamen "Mennistenhemel" (Mennonitenhimmel). Sie spielten eine Vorantreibende Rolle beim wirtschaftlichen Aufschwung.
Mennonitenzentrale der Niederlande
Innenansicht der größten Mennonitenkirche der Niederlande. Hier befand sich das Zentrum der geistigen Entwicklungen des niederländischen Täufertums. Die Kirche hatte Platz für ca. 1200 Besucher. Heute werden aus Sicherheitsgründen nicht mehr alle Plätze besetzt. Was auch nicht erforderlich ist, da die Mitglieder zahlenmäßig stark geschrumpft und gealtert sind. In den letzten Jahren richtet sich die liberale Gemeinde mehr und mehr auf die Öffentlichkeitsarbeit aus.
Bildquelle: Stadtarchiv Amsterdam
Sicherhit und Schutz bestimmen die Sitzordnung
Dieselbe Kirche vor ca. 250 Jahren. Die Frauen nahmen einen Klappstuhl für einen Penny und stellten ihn irgendwo in die Mitte des Kirchenraums. Die Plätze in den Kirchenbänken drumherum wurden von den männlichen Mitglieder der Gemeinde gemietet. Vermutlich ist diese Sitzordnung auch auf die frühe Geschichte der Täufer zurückzuführen, als sie sich aus Angst vor Verfolgung in Wäldern oder abgelegenen Scheunen trafen. Bei einem Angriff oder einer plötzlichen Gefahr war es wichtig, dass die Männer schnell handeln konnten, um die Sicherheit der Gemeinschaft zu gewährleisten. Die Anordnung, bei der Männer außen saßen, ermöglichte es ihnen, sich schneller zu organisieren und gegebenenfalls eine Flucht zu koordinieren.
Bildquelle: Stadtarchiv Amsterdam
Von Aufklärung über Modernismus zur Ökumene
Im Obersaal bildete das „Doopsgezind Seminarium“ (mennonitisches Seminar) mennonitische Prediger aus. Neben Vorlesungen der Theologie wurden die Studenten ebenfalls in Philosophie und Naturkunde unterrichtet. Der Unterricht war von den Gedanken der Aufklärung getragen. Auf dem historischen Tisch haben alle Absolventen der letzten Jahrhunderte ihren Namen eingeritzt. Hinter den grünen Holztüren befand sich die historische Bibliothek der Gemeinde. Heute sind die Schriften und Bücher ausgelagert. Die theologische Ausbildung finden aktuell in der Universität Amsterdam statt, gemeinsam mit den Reformierten und den Lutheranern.
Bildquelle: Stadtarchiv Amsterdam
Zwischen Eintracht und Zwietracht
Die ersten Jahrzehnte der Amsterdamer Mennoniten waren geprägt von großen Uneinigkeiten. Es gab mindestens acht unterschiedliche Mennonitengruppen. Bis 1801 hatten sich die meisten Gruppen vereinigt. Darauf deutet eine Tafel über dem Eingang hin. Die Darstellung bezieht sich auf den Zusammenschluss von drei Mennonitengemeinden: Die Gemeinde „des Turms“, „der Sonne“ und „des Lammes“. Die Übersetzung des Mottos am oberen Rand lautet: VEREINT IN LIEBE UND FRIEDEN. Es entstand die „Verenigde Doopsgezinde Gemeente Amsterdam“. Das Lamm dient noch heute als Wappen dieser Kirche.
Bildquelle: Stadtarchiv Amsterdam
Vorbildlich dokumentiert
Anstelle dieses Durchgang zwischen Heren- und Singelgracht gab es früher eine schmale Gasse, die beide Grachten verband. Das Gebäude wurde seit Beginn mehrfach umgebaut und erweitert. An den Wänden der Flure befinden sich alte Gemälde und Dokumentationen der Jahrhunderte alten Geschichte dieser Gemeinde. Außerdem das aktuelle Glaubensbekenntnis. Das ausführliche Gemeindearchiv (Geburtslisten, Tauflisten, Mitgliederverzeichnisse…) befindet sich im Amsterdamer Stadtarchiv und kann dort größtenteils online eingesehen werden.
Quellen und weitere Informationen:
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