Ein Besuch bei amischen Mennoniten in Belize
- Benjamin Hedert
- 21. Feb.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Feb.
Dreimal hatte ich bereits geplant, die sogenannten amischen Mennoniten zu besuchen, doch nur ein einziges Mal hat es tatsächlich geklappt. Die beiden anderen Male mussten wir leider wegen schlechter Wegverhältnisse umkehren. Doch von dem erfolgreichen Besuch möchte ich berichten.
Wer sind eigentlich die „amischen“ Mennoniten? Im Grunde genommen sind es Mennoniten, die jedoch vom äußeren Erscheinungsbild her für mich und viele andere wie Amish aussehen. Während die sogenannten Altkolonier in der Regel glatt rasiert sind, tragen die Männer hier lange Bärte und haben weitere äußerliche Gemeinsamkeiten mit den Amish. Das ist der Grund dafür, weshalb sie hier in Belize häufig als Amish bezeichnet werden.

Unsere Reise begann in Spanish Lookout, Belize. Trotz des feuchten Wetters kamen wir mit einem älteren Ford F-150 zunächst gut voran. Doch nach kurzer Zeit verließen wir die asphaltierte Straße und fuhren auf Schotterwegen weiter. Ein besonderes Ziel unserer Reise war es, eine Sägemühle zu sehen, die mechanisch von Pferdekraft angetrieben wird.
Je weiter wir fuhren, desto schmaler und dichter bewachsen wurde der Weg, bis wir schließlich Barton Creek erreichten. Wir versuchten, weiter hineinzufahren, doch der Weg wurde für unseren Pick-up immer schwerer passierbar. Nach einiger Zeit gaben wir die eigenständige Suche nach der Sägemühle auf und beschlossen, einige Männer in der Nähe vorsichtig nach dem Weg zu fragen. Sie gaben uns freundliche Auskunft und erklärten uns, dass sich die Säge in einem benachbarten Ort befindet.

Anfangs dachten wir, dass wir unser Ziel bald erreichen würden, doch dann mussten wir feststellen, dass der Weg überflutet war. Umkehren wollten wir nicht, also entschieden wir uns, den Pick-up im Wald stehen zu lassen und zu Fuß durch das Wasser zu waten. Auf der anderen Seite trafen wir auf einen freundlichen Mann, der uns ein Stück auf der Ladefläche seines Fahrzeugs mitnahm.

Danach gingen wir zu Fuß weiter – und tatsächlich fanden wir die Sägemühle. Wir sahen den Platz, an dem die Pferde die Kurbel antreiben, und die Sägeblätter, doch leider war die Sägemühle gerade nicht in Betrieb.

Auf dem Rückweg kamen wir mit einem Mann aus der Kolonie ins Gespräch. Wir unterhielten uns auf Plautdietsch, und das Gespräch wurde schnell sehr interessant. Nachdem wir einiges über Herkunft und Alltag erfahren hatten, kamen wir auf den Glauben zu sprechen. Einige interessante Fragen und seine Antworten darauf möchte ich hier wiedergeben:
Frage: Wie wird ein Mensch gerecht – durch Gnade oder durch Werke?
Antwort: Der Mensch wird durch Gnade gerecht. Oft wird über uns gesagt, dass wir versuchen, durch Werke gerecht zu werden, aber das stimmt nicht – so sehen wir es nicht. Die Werke selbst machen einen Menschen nicht gerecht, sondern die Gnade. Die Werke sind jedoch später die Frucht.
Frage: Wie ist es mit der Bekehrung und Wiedergeburt? Muss ein Mensch bekehrt und wiedergeboren sein?
Antwort: Ja, bevor jemand getauft wird, sollte er sowohl Bekehrung als auch Wiedergeburt erlebt haben.
Ein Problem, das von ihm auch in diesem Rahmen angesprochen wurde, ist, dass manche Menschen in die Gemeinde kommen, weil sie heiraten wollen – ohne wirklich wiedergeboren zu sein. (Ich denke, dieses Problem ist auch Lesern aus konservativen Gemeinden in Deutschland teilweise bekannt).

Er fragte uns nach einer Schlachterbibel, da er diese für eine gute Übersetzung hielt jedoch leider noch keine Möglichkeit gefunden hatte selbst eine zu kaufen. Der Grund waren Wörter wie zB. „Sintemal“ die zwar in den alten Lutherbibeln stehen, jedoch heutzutage nicht mehr im Sprachgebrauch sind und das Verständnis des Bibeltextes erschweren können.
Interessant fand ich, dass wir in vielen Glaubensfragen ähnliche Ansichten hatten. Doch es gab auch Unterschiede. Was mir besonders gefiel: Er sagte nie einfach „So machen wir es eben“, sondern erklärte seine Sicht immer und konnte sie auch mit der Bibel begründen. Er wusste, wovon er sprach. Im folgenden einige Fragen wo wir verschiedene Meinungen hatten:
Frage: Warum haben die Altkolonier keinen Bart, ihr aber schon?
Antwort: Wir sehen es so: Am Anfang der Bibel schuf Gott den Menschen und sah, dass alles gut war (1 Mose 1,31a). Gott hat den Mann mit einem Bart geschaffen, wir müssen diesen natürlich in Ordnung halten und pflegen. Wenn wir ihn aber immer vollständig abschneiden, versuchen wir doch damit, Gott zu verbessern.
(Sinngemäß in andern Worten: Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass der Mann einen Bart trägt, hätte er ihn ohne Bart erschaffen. Weil er uns aber mit einem Bart geschaffen hat, sollen wir diesen nicht ständig ganz abschneiden).
Frage: Warum nutzt ihr keinen elektrischen Strom und weshalb fährt ihr keine Autos?
Antwort: Wir sehen es als hoffärtiges Leben und Fleischeslust. Die Autoherstellung selbst ist nicht gut für die Umwelt, dass ist aber nicht alles: Wenn wir Autos nutzen, ziehen wir an einem Joch mit der Welt, und das wollen wir nicht. Außerdem würden wir durch die dann vorgeschriebenen Steuer und Versicherungen usw. die Welt unterstützen. (Anmerkung: Wenn ich mich nicht täusche, ging es hierbei auch darum sich möglichst wenig abhängig von der Welt zu machen).
Im weiteren Verlauf kamen wir auch über das praktische Gemeindeleben zu sprechen und fanden dort erstaunlich viele Ähnlichkeiten.
Ähnlich war:
- dass die Namen der Täuflinge vorab in der Gemeinde vermeldet werden, damit die Gemeinde überprüfen kann, ob derjenige wiedergeboren ist und man es in seinem Lebenswandel sieht.
- dass die Zeit zwischen Verlobung und Hochzeit begrenzt wird (max. 6.Monate bei ihnen).
- dass die Ehescheidung normalerweise nicht vorkommen sollte.
- dass die Wiederheirat im Falle des Todes eines Ehepartners erlaubt ist.
- und weiteres...
Dann stellte er uns auf einmal die Frage wie viele Kinder unsere Familien denn haben? Ich antwortete ihm, dass wir die Kinder so aus Gottes Hand nehmen, wie er sie uns schenkt. Und auch in diesem Punkt teilten wir dieselbe Meinung. Über dem Gespräch war mittlerweile einige Zeit vergangen und mir kam der Gedanke ein Bild zu machen.
Ich fragte danach und er wurde still, blickte nach unten und sagte uns dass er das eigentlich nicht möchte. Wir gaben ihm schnell zu verstehen, dass wir darauf auch verzichten können und fragten nach dem Grund. Der Hauptgrund war, dass er Fotos als Augenlust betrachtete. Das Augenlust Sünde ist finden wir zB. in 1 Johannes 2,16.
Wir unterhielten uns auch etwas über den Gottesdienst und erfuhren, dass bei ihnen sowohl die lange Weise als auch Zahlenweisen (singen nach Ziffern) gesungen werden.
Als wir uns langsam auf den Rückweg machen mussten, kam ein Einheimischer mit dem Auto vorbei. Unser neuer Freund sprach mit ihm und organisierte, dass er uns mitnehmen konnte. So erreichten wir unseren Pick-up wieder.
Was ich von anderen die in der Nähe dieser Kolonien wohnen, gehört habe ist, dass es völlige Verzicht auf Motoren und Strom zum Problem werden kann. Während die Altkolonier zumindest Traktoren mit Eisenrädern nutzen, gibt es hier gar keine motorisierten Fahrzeuge. Das pflügen erfolgt mit Pferden und Ochsen. Das macht es sehr schwer, genug zu arbeiten, um eine Großfamilie zu ernähren.

Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Besuch für mich war, wie vorsichtig man mit Vorurteilen gegenüber Mennoniten sein muss, die abgeschieden und in Einfachheit leben. Zu oft hört man pauschale Urteile wie: „Die wollen durch Werke gerecht werden“, „Bei ihnen ist alles nur Tradition“ oder „Die sind alle nicht bekehrt.“ In diesem Fall trafen diese Vorwürfe aber nicht zu. Im Gegenteil: Dieser Mann betonte, dass nicht Werke, sondern allein die Gnade selig macht. Er sprach über die Bedeutung von Bekehrung und Wiedergeburt und konnte seine Antworten auf unsere Fragen mit Bibelstellen belegen. Es war zu spüren das der Glaube ihm wichtig war, und nie war seine Begründung: „So habe ich es gelernt“ oder „So hat man es mir beigebracht“.
Ob alle in dieser Kolonie genauso denken, weiß ich nicht. Doch letztendlich ist es Gott, der die Herzen prüft – und das bei jedem Einzelnen. Deshalb möchte ich davor warnen, ganze Volksgruppen oder Kolonien vorschnell pauschal zu verurteilen und dazu aufrufen sich selbst ein differenziertes Bild zu verschaffen, wenn man auf solche Menschen trifft und die Möglichkeit dazu hat.
Beim nächsten Versuch, dorthin zu gelangen, schafften wir es leider wieder nicht. Doch als wir eine Pferdekutsche sahen, hatten wir eine Idee. Wir hielten an und fragten nach dem Namen unseres Bekannten. Da die Männer in der Kutsche ihn kannten, konnten wir ihm auf diesem Weg doch noch zwei Schlachter-Bibeln zukommen lassen. Mögen die Bibeln zum Segen sein und ich bin ich gespannt, wann mein nächster Besuch dort stattfinden wird.
Hinweis: Das Gespräch wurde größtenteils auf Plautdietsch geführt. Ich habe mein Bestes getan, um die wichtigsten Punkte verkürzt und übersetzt zusammenzufassen. Dennoch kann ich keine vollständige Fehlerfreiheit garantieren.
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