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Hamburger Mennoniten: Fromm, reich, ratlos

Vor einiger Zeit haben wir die wundervolle historische Mennonitenkirche in Hamburg besichtigt; und haben ganz viele Eindrücke mit nach Hause genommen. Der Besuch hat mich veranlasst, einen Bericht über die Hamburger Mennoniten zu schreiben.


Willkommen bei den Mennoniten. An der Tür werden wir freundlich von Pastor Markus Hentschel empfangen, der uns durch die interessante Kirche führt, in der sich seit 1915 die Mennonitengemeinde zu Hamburg und Altona trifft. Die ca. 300 getauften, erwachsenen Gemeindeglieder leben zum Teil weit verstreut in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.


Anfangs zuhause an der “Großen Freiheit“ (Straßenname). Ab etwa 1575 ließen sie sich in Hamburg und Altona nieder. Graf Ernst von Schauenburg gewährte ihnen 1601 religiöse und wirtschaftliche Privilegien. So dass die „Große Freiheit“ die Heimat für die Mennoniten mit ihrer Kirche und dem Friedhof wurde. Sie bildeten eine Minderheit und waren vom gesellschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen.


An den Wänden des Kirchensaals hängen keine Heiligenbilder. Nein, es sind ehemalige prominente Persönlichkeiten aus der Hamburger Mennonitengemeinde und der Mennonitengeschichte allgemein.


Im Zentrum steht das Wort. In dieser Kirche nimmt nach dem Prinzip einer Predigtkirche die Kanzel den zentralen Platz ein. Vor ihr befindet sich der Abendmahlstisch. Die weißen schmucklosen Wände sollen die Ablenkung vermeiden.


Bücher aus allen Zeitepochen der Hamburger Mennoniten. Damit spiegelt die Bibliothek alle Entwicklungen dieser Gemeinde wider. Viele Bücher sind in Niederländisch, weil sie als Glaubensflüchtlinge, vor allem aus den Niederlanden kamen. Erst 1795 ging die Gemeinde im gottesdienstlichen Leben von der niederländischen zur deutschen Sprache über. Schwerpunkte der Bücher bilden Theologie und Geschichte der Mennoniten. War es am Anfang noch der Märtyrerspiegel, der hier gelesen wurde, so findet man heute vor allem Bücher zu Ökumene und Friedenstheologie.


Glaubensflüchtlinge werden reich. In der Blütezeit der Gemeinde im 17. und 18. Jahrhundert zählten viele Kaufleute, Reeder (Walfang), Unternehmer und Handwerker zu den Mennoniten. Sowohl in Altona als auch in Hamburg verdienten mennonitische Familien große Vermögen mit dem Walfang, der große Bedeutung für Lampenöl und andere Produkte hatte. Dabei profitierten sie von ihren engen familiären und religiösen Bindungen an die wirtschaftlich und technisch fortschrittlichen Niederlande.


Familiennamen haben Tradition. Waren es bis zum zweiten Weltkrieg noch die Familien „de Voss“, „Goverts“, „van der Smissen“ und „Roosen“, die hier beigesetzt wurden, so dominieren nach dem Krieg vor allem mennonitische Namen aus Westpreußen wie Fröse, Reimer, Fast, Warkentin, Klaaßen, Görz usw.


Grabplatten dokumentieren Familiengeschichte. Die alten Grabplatten sind ein Symbol der Blütezeit Altonas. Die Wappen und Zeichen darauf erzählen vom mutigen und spannenden Leben der Flüchtlinge von damals, die Fachwissen und Bildung mitbrachten. Es ist die Geschichte von Mennoniten, die durch das einfache Wort stark wurden. Die großen Grabplatten – die älteste von 1679 – deckten damals tiefe Gruften ab, in denen Generationen ihre letzte Ruhe fanden.


Von der „großen Freiheit“ zur großen Ratlosigkeit. Die ersten Mennoniten hatten sich hier niedergelassen, um ein frommes zurückgezogenes Leben zu führen. Für sie galt das Prinzip der „Absonderung von der Welt“ und das Bemühen eine Gemeinde „ohne Flecken und Runzel“ zu sein. Durch den zunehmenden Reichtum der Mitglieder und den beginnenden Modernismus rückten sie immer weiter von ihren Grundsätzen ab. Ein mennonitisches Herkunftsprofil war kaum noch zu erkennen. Die gesellschaftliche Integration war erreicht – aber zum Nachteil für die Gemeinde. Die Ratlosigkeit der Gemeinde führte zu einem schleichenden Verfall und einem starken Mitgliederschwund. Das änderte sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, als Mennonitische Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen kamen und die Mitgliederzahl wieder zunahm. (siehe Hans-Jürgen Goertz, Das schwierige Erbe)


Gemeinde erfindet sich neu. Seitdem ist die Gemeinde dabei sich neu zu orientieren. Sie wollen nicht mehr die fromme Minderheit sein, die zurückgezogen von der Welt lebt. Heute verstehen sie sich als aktive Friedensmacher. So werden z.B. Diskussionsrunden veranstaltet, um dem Friedenszeugnis auf gesellschaftlichen und politischen Ebenen Gehör zu verleihen. Ebenso fördern sie Konfliktlösungskompetenz und zeigen gewaltfreie Handlungsmöglichkeiten auf.

 

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