Gründung
Das nach dem zweiten Weltkrieg in der Geschichte der Mennonitenwanderung bekanntgewordene holländische Schiff "Volendam" verließ am 07. Oktober 1948 Bremerhaven mit 1.578 mennonitischen Auswanderern. Diese teilten sich in vier Gruppen. Da waren 796 Mennoniten aus Russland, die nach Paraguay gingen. Danziger Mennoniten waren mehr als 500. Aus der Mennonitengemeinde Lemberg / Galizien waren es über 100 und 82 Mennoniten kamen aus dem Gouvernement Warschau / Polen aus den Gemeinden Deutsch-Wymyschle und Deutsch-Kazun. Die letzten drei Gruppen, zusammen 751 Seelen, wurden die ersten Mennonitensiedler in Uruguay. Sie durfte dieses Land erstmals am 27. Oktober 1948 in Montevideo betreten.
Unter den Mennoniten aus Russland waren Angehörige der Mennonitengemeinde und der Mennoniten-Brüdergemeinde. Die Danziger und Lemberger waren alle Angehörige der Mennonitengemeinde. Unter den Warschauer Mennoniten waren 11 getaufte Mitglieder der Brüdergemeinde. Mit ihren Familienangehörigen waren es 33 Personen.
Während der dreiwöchigen Seereise wurde viel für die Zukunft geplant. Niemand wusste, was uns die Zukunft bieten würde. Dass die Uruguayer ein friedliebendes Volk seien, und dass die Konstitution dieses Landes ihren Untertanen Schutz und volle Glaubensfreiheit gewähre, erfuhren wir Wahrschauer bereits in den zwanziger Jahren durch einige Bekannte aus der Weichselniederung, die damals nach Uruguay auswanderten. Doch was soll nun mit der kleinen Gruppe der Brüdergemeinde werden, die wir durch den zweiten Weltkrieg und die Nachkriegswirren gegen unseren Willen von Herde und Hirten abgesplittert wurden? Wie wird sich unser geistliches Leben in der neuen Heimat gestalten? Werden wir uns in diesem Lande als selbständige Mennoniten-Brüdergemeinde (M. B. G.) organisieren und behaupten können? Das waren für uns brennende Fragen.
Wir wurden an Bord der Volendam mit noch 7 gleichgesinnten Geschwistern bekannt, die gewillt waren, sich unserer Gruppe anzuschließen. Wir reichten ihnen die Hand der Gemeinschaft und waren somit eine Gruppe von 18 Geschwistern. Diese Zahl erinnert an den 6. Januar 1860, als in Südrussland die erste Mennoniten-Brüdergemeinde gegründet wurde. Das sollte auch hier geschehen.
Am 22. Oktober, noch 5 Tage vom Reiseziel entfernt, traten wir 18 zu einer Beratung zusammen. Hier wurde der endgültige Beschluss gefasst, uns nach 1. Petri 2,5 zu einem geistlichen Hause aufzubauen und damit für die zukünftige Heimat eine Brüdergemeinde zu gründen. Es wurde ein Gemeindevorstand gewählt, und zwar Bruder Tobias
Foth zum Prediger und Leiter der Gemeinde, Br. Paul Schroeder zum Diakon und Stellvertreter des Gemeindeleiters und der Unterzeichnete zum Schriftführer der Gemeinde und dritten Mitglied des Gemeindevorstandes. Es wurde alles protokolliert und das Protokoll von allen 18 Geschwistern unterzeichnet. Das war der Anfang der heutigen Mennoniten-Brüdergemeinde in Uruguay. Ihr Geburtstag ist somit der 22. Oktober 1948, ihr Geburtsort das holländische Schiff "Volendam" auf hoher See.
Nach unserer Ankunft in Montevideo am 27. Oktober erhielt die ganze Immigranten-gruppe von der Regierung Unterkunft in zwei Militärlagern. Das kleinere Lager mit etwas über 200 Personen war in der Stadt Colonia am La Plata-Fluss, das größere mit etwas über
500 Personen in Arapey im Departement Salto. Von den Gliedern der jungen M. B. G. kamen 13 nach Arapey und 5 nach CoIonia. In der in Arapey am 2. Dezember 1949 stattfindenden Gemeindestunde wurde von der Gemeinde noch zusätzlich Bruder Johann Siebert zum Hilfsprediger und Vorstandsmitglied gewählt. Am 12. Februar 1950 wurde in Arapey Bruder Tobias Foth zum Predigtdienst und Br. Paul Schroeder zum Diakon ordiniert von den Predigern Gerhard Balzer und Heinrich Friesen aus Paraguay. Bald darauf wurde die M. B. G. von Uruguay in die Distrikt-Konferenz der Mennoniten-Brüdergemeinden von Südamerika aufgenommen.
Aufbau
Die Prediger Tobias Foth und Johann Siebert haben hier in Uruguay sofort die Arbeit begonnen, und der Herr hat den in aller Schwachheit ausgestreuten Samen des Wortes Gottes sichtbar gesegnet, indem Er uns eine Erweckung schenkte, in der 18 teure Seelen, fast alle Jugendliche, den köstlichen Frieden Gottes durch das Blut Jesu gefunden haben. Das war in der Mitte Februar bis Mitte Mai 1949, als wir noch im Lager waren. Die Arbeit wurde hier in sehr einfacher Weise getan. Wir wohnten in Gemeinschaftsquartieren, sehr zusammengeengt, die erste Zeit 46 Personen in einem großen Raum. Hier wurden Abendandachten abgehalten, zu denen wir uns im engeren Kreise versammelten. Hier wurde gepredigt, gesungen und gebetet.
Nicht lange nach ihrer Bekehrung meldeten sich einige der Neubekehrten zur Taufe. Da fühlte die junge Gemeinde sich hilflos, denn die Prediger waren noch nicht ordiniert und konnten die Taufe noch nicht vollziehen. Da eilte Bruder C. C. Peters zu Hilfe, der uns in
Arapey mit Bruder R. C. Seibel besucht und im Lager einige Male Evangelisationsversammlungen abgehalten hat. An den Abenden versammelten sich die Glieder der Brüdergemeinde dann immer noch im engeren Kreise, wo die Bruder Peters und Seibel dann die Gelegenheit hatten, zu den Taufkandidaten zu sprechen.
Am 4. Dezember 1949 konnte die Gemeinde in Arapey das erste Tauffest feiern, wo Bruder Peters an 15 Neubekehrten die heilige Taufe vollzogen hat. Soweit gestaltete sich der Aufbau unserer Gemeinde ganz gut. Als im April 1950 die Verhandlungen über „den Landkauf in El Ombú für die erste Mennonitensiedlung zum Abschluss kamen und das Land besiedelt wurde, konnten die Glieder der M. B. G. nicht alle dorthin gehen, denn es war für alle zu wenig Land. Drei Familien versuchten sich dann anderweitig eine Existenz zu schaffen und es gelang ihnen auch. Eine Anzahl Jugendlicher aus El Ombú war gezwungen, in Montevideo Arbeitsstellen anzunehmen, damit sie ihre Eltern beim Aufbau finanziell unterstützen konnten. So kam es, dass sich die kleine Gemeinde in drei Gruppen teilte, was die geistliche Betreuung sehr erschwerte. Jeder Predigerbesuch bei den zwei anderen Gruppen war mit Zeitverlust für den Prediger und großen Unkosten
verbunden. Da kam uns die Bundeskonferenz der Mennoniten-Brüdergemeinde wohlwollend entgegen und brachte uns finanzielle Hilfe, ohne die die Betreuung der ganzen Gemeinde nicht möglich gewesen wäre.
Im Oktober 1951 landete die zweite mennonitische Einwanderergruppe aus Europa in Montevideo, in der auch 12 Glieder der Brüdergemeinde waren. Diese Gruppe wurde zum größten Teil vorübergehend in El Ombú untergebracht. Im Laufe der Zeit wurde ein
zweites Stück Land erworben, auf dem 1952 die Siedlung Gartental entstand. Aber auch dieses Land bot nicht genug Raum für diesen 2. Transport und die bis dahin noch Landlosen des 1. Transportes. So kam es, dass einige Familien in und um Montevideo Arbeitsstellen annahmen, auf denen sie sich verhältnismäßig schnell einlebten und wo sie auch geblieben sind. Die in den verschiedenen Familien in Gartental abkömmliche Jugend folgte dem Beispiel der Jugend des I. Transportes und suchte in Montevideo Verdienstmöglichkeit. Unsere Jugend in Montevideo machte uns damals die größte Sorge.
An jedem Donnerstagnachmittag und Donnerstagabend und an jedem zweiten Sonntagnachmittag und Sonntagabend konnte sie sich im MCC-Heim zu den Gottesdiensten versammeln. Unter den neu angekommenen jugendlichen war eine Anzahl Gläubiger, davon einige, schon in Deutschland getauft und in die Brüdergemeinde aufgenommen. Durch sie kam nun mehr Leben ins MCC-Heim. Es wurde jetzt bei jeder Zusammenkunft viel gesungen und musiziert. Doch wo sollte sich die Jugend an den Zwischensonntagen zusammenfinden? Die Frage wurde ernster. Gelegenheiten, die der Jugend zum Schaden werden konnten, gab es in Montevideo nicht wenige.
Am 23. Januar 1952 zog die Familie Paul Schroeder von El Ombú nach Montevideo. Diese Familie nahm bald mit der Jugend Kontakt auf, und diese versammelte sich dann an jedem Zwischensanntag in Schroeders gemieteter Wohnung. Sie verlebte hier schöne
Stunden, aber es war keine Lösung für die Dauer.
Am 25. März fand das zweite Tauffest der Brüdergemeinde statt, diesmal in El Ombú. Bruder Tobias Foth vollzog hier die heilige Handlung an 6 Neubekehrten, die auch an diesem Tage in die Gemeinde aufgenommen wurden, die nun 40 Mitglieder zählte.
Dem zweiten Tauffest folgte am 30. November 1952 in Montevideo das dritte, auf dem durch Bruder C. C. Peters 12 Seelen getauft und in die Gemeinde aufgenommen wurden. An diesem Tage schloss sich auch die Gruppe Gartental, die 12 Glieder zählte, der Mennoniten-Brüdergemeinde von Uruguay an. Leiter jener Gruppe war der damalige
Prediger Jakob Warkentin, schon in Deutschland zum Prediger gewählt. Er wurde nach diesem Tauffest durch die Brüder .C. C. Peters, G H Sukkau und Tobias Foth durch Handauflegung für den Predigtdienst geweiht. Die Gemeinde zählte nun 64 Glieder.
Stabilisierung
In den weiteren Jahren setzte sich das Wachstum der Gemeinde fort. Es wurde notwendig, für bessere Gemeindeorganisation und zweckentsprechende Versammlungshäuser zu sorgen. In erster Linie war in Montevideo ein Heim nötig, wo sich die Glieder der Gemeinde versammeln und miteinander Gemeinschaft pflegen konnten. Das sahen auch die Brüder Peters und Sukkau ein. Doch war unsere Gemeinde in dieser Hinsicht hilflos, eben noch zu arm, um in einer Großstadt ein Haus mieten und unterhalten zu können. Das Wollen war da, doch zum Vollbringen fehlten die Mittel. Durch die Vermittlung der Brüder Peters und Sukkau gaben die Brüdergemeinden in Nordamerika in brüderlicher Weise eine beträchtliche finanzielle Mithilfe, und so wurde es Bruder Sukkau im Januar 1953 möglich in Montevideo ein Haus zu mieten und ein Missionsheim der Mennoniten-Brüdergemeinde zu gründen, das am 18. Januar 1953 eingeweiht werden konnte. Die Geschwister Paul Schroeder wurden die Hauseltern. Die Gründung des Missionsheimes in Montevideo hat in der Gemeinde große Freude ausgelöst, besonders bei den Geschwistern die in Montevideo wohnen. Für diese große Hilfe sind, wir unseren Glaubensgeschwistern im Norden .sehr dankbar.
Um das Glaubensleben unserer jungen Geschwister zu stärken, wurde in Montevideo einige Mal Bibelschule abgehalten, wobei die Brüder Peters und Sukkau als Lehrer dienten. Der erste Kursus wurde durch Bruder Peters am 28. August 1953 eröffnet. Die Gemeinde war froh und dankbar, dass der Kurs im Missionsheim untergebracht werden konnte, doch sahen die Brüder bald, dass es für eine zweiklassige Bibelschule zu klein war, was die Arbeit sehr erschwerte. Dasselbe wurde bestätigt durch die Tauffeste in Montevideo am 18. Oktober 1953 und am 14. Februar 1954, als aus beiden Kolonien eine größere Anzahl von Gemeindegliedern nach Montevideo kam. Es wurde daran gedacht, künftig ein größeres Hans zu mieten, wenn der Mietsvertrag für dieses Haus abgelaufen sein würde.
Dann kam das Unerwartete. Die Brüder Peters und Sukkau bekamen vorn Norden den Auftrag und die Mittel, in Montevideo ein entsprechendes Haus für das Missionsheim. zu kaufen. Die Haus wurde am 12 September 1954 eingeweiht. Es bietet genügend Raum
für die Bibelschule, für die Gottesdienste, Wohnung für die Lehrer und die Hauseltern sowie zur Übernachtung von durchreisenden Geschwistern. Die Gemeinde sieht es als ein Geschenk an, das uns Gott durch die Hände unserer Glaubensgenossen vom Norden dargereicht hat, wofür sie sehr dankbar ist.
Durch weiter finanzielle Hilfe aus dem Norden konnten unsere Geschwister in El Ombú am 25. Juli 1955 mit dem Bau eines Bethauses beginnen, der Mitte Februar 1956 zum Abschluss kam und am 19. Februar eingeweiht werden konnte. Noch in demselben Jahr konnte auch die Gemeindegruppe Gartental für sich ein Bethaus schaffen. Hier wurde ein Wohnhaus gekauft, das sie dann umgebaut haben. Aus zwei Wohnräumen entstand ein geräumiger Andachtsraum, der am 10. Juni 1956 eingeweiht wurde. Es ging auch hier nicht ohne Hilfe vom Norden ab. Der Andachtsraum fasst etwa 100 Personen und ist an Festtagen, wenn mehr Besuch da ist, zu klein.
Die kleine Gemeindegruppe Colonia hat seit den 2. November 1958 auch einen Andachtsraum, wenn auch nicht einen solchen, wie ihn die anderen Gruppen haben. Es ist ein größerer Raum in einem Privathause, der der Gruppe für unabsehbare Zeit von der Eigentümerin gratis zur Verfügung gestellt wurde. Am 2. November 1958 wurde dieser Andachtsraum eingeweiht. Auch hier durften wir Beihilfe vom Norden empfangen, und zwar für die innere Einrichtung des Raumes.
So sehen wir, dass uns die Glaubensgenossen in Nordamerika in allen Fällen in brüderlicher Weise geholfen haben. Ohne ihre Hilfe wäre es der Brüdergemeinde in Uruguay unmöglich gewesen, zu mieten, zu bauen oder zu kaufen. Wir sind für all diese Hilfe herzlich dankbar.
Da diese Glieder der Mennoniten-Brüdergemeinde in Uruguay in 6 Gruppen räumlich weit voneinander wohnen, konnten viele nicht immer an den Gemeindeberatungen teilnehmen. Da wurde es notwendig, eine jährliche Glaubenskonferenz einzuführen, zu der Delegierte aus allen Gruppen der Gemeinde zur geistlichen Erbauung und zur Beratung
zusammenkommen. Die Konferenzen wurden bis jetzt immer durch Predigerbrüder vom Norden, C. C. Peters, GH. Sukkau, John Wall, geleitet. Durch diese Brüder und einige Reiseprediger ist der Gemeinde viel Segen zugeflossen. Sie haben hier unermüdlich gearbeitet. Bruder John Wall ist noch am Werk. Auch unsere Predigerbrüder Tobias Foth, Peter Loewen und Johann Siebert tun, was sie können und soweit ihnen Gott Kraft zur Arbeit schenkt. Leider hat die Gemeinde in diesem Jahr zwei Prediger durch Auswanderung nach Kanada verloren, am 5. Mai Bruder Kornelius Funk und am 17. März Bruder Franz Janzen.
Die Gemeinde konnte in den 12 Jahren ihres Bestehens bereits 15 Tauffeste veranstalten, durch die insgesamt 79 teure Seelen durch die Gnade Gottes aufgenommen werden konnten. Durch Zuzug aus Paraguay sowie durch Übertritt einiger Gläubiger aus anderen Gemeinschaften durften wir auf Grund ihrer Zeugnisse bis jetzt 62 Seelen aufnehmen. Eine Schwester kam durch Wiederaufnahme in die Gemeinde. Zu dem Häuflein von 18 kamen bis jetzt 142 Seelen hinzu. Hätte die Gemeinde keine zahlenmäßige Abnahme gehabt, dann zählte sie heute 160 Mitglieder. Leider entgingen der Gemeinde durch den Tod 2 Glieder, durch Auswanderung nach Kanada und Rückwanderung nach Paraguay 31. 4 Glieder wurden gestrichen, und, was die Gemeinde sehr bedauert, ist, dass sie 12 Glieder durch Ausschluss verloren hat. Zur Zeit zählt die Gemeinde 111 Mitglieder. Zwei junge Brüder sind zur Zeit zu Bibelstudien in Brasilien.
Die Mennoniten-Brüdergemeinde von Uruguay ist bestrebt, dem
Herrn treu zu sein und Ihm zu dienen. Gott wolle ihr zu ihrem Wollen auch das Vollbringen schenken.
(Colonia, im August. 1960).
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